Arbeitspaket 2 - Modellbildung
Der Schwerpunkt des Teilprojektes 2 ist die Parametrisierung und die physikalische und numerische Modellbildung von Salzwiesen- und Dünenvegetation an der deutschen Nordseeküste, um den Umfang und die Auswirkungen der Ökosystemleistungen besser zu verstehen und daraus ein interaktives Küstenzonenmanagementkonzept zu entwickeln. Sowohl die Feld- und Laboruntersuchungen als auch die numerischen Simulationen der natürlichen Systeme sollen ein besseres Bild der stattfindenden Prozesse ermöglichen, um mit minimalem anthropogenen Einfluss einen nachhaltigen und naturnahen Küstenschutz zu ermöglichen und die Lebensräume an der Küste zu schützen.
Systematische Untersuchungen werden durchgeführt, um die zeitliche sowie räumliche Varianz der Vegetationsparameter zu ermitteln. Dies beinhaltet die Zonierung, die Wuchshöhen- und dichten sowie biomechanische Parameter wie die Biegesteifigkeit. Komplementäre Felddaten zur Bodenbeschaffenheit und Topografie lassen auf die Erosionsstabilität schließen und können mit den erhobenen Vegetationsdaten im Jahreszyklus korreliert werden. Hierdurch wird die Untersuchung und numerische Simulation der wechselseitigen Einflüsse von Vegetation, Hydrodynamik sowie von Erosions- und Transportprozessen ermöglicht, um den Vegetationseinfluss für Sturmflutszenarien im Hinblick auf den Klimawandel zu ermitteln.
Zusätzlich werden im Bereich der Dünen äolische Sedimenttransportraten mit Sedimentfallen erfasst. Als Referenzmessung wird ein Dünenbereich vermessen, der eine deutlich geringere bzw. lichtere Vegetationsdecke aufweist, um den Einfluss von halophytischem Bewuchs herauszuarbeiten.
Vegetationsdynamik einer Salzwiese
Felduntersuchungen
In den Salzwiesen „Ostergroen“ wurde mithilfe von monatlichen Messungen von Pflanzenhöhe, -dicke und der horizontalen Dichte zwischen Dezember 2021 und Dezember 2022 das Wachstum begleitet. Zudem sind Biegeversuche durchgeführt worden, um biomechanische Eigenschaften, wie das E-Modul, die Biegesteifigkeit und die maximalen Kräfte, zu bestimmen. Erste Ergebnisse für die Salzwiesenart Spartina anglica wurden bereits in Keimer et al. (2023) veröffentlicht. Dazu kommen die Untersuchungen für die Salzwiesenart Elymus spp., bei der es sich auf Spiekeroog um einen Hybrid von Elymus repens und Elymus athericus handelt. Hinzu kommen ebenfalls monatliche Untersuchungen mit dem DiCoastar, einem vorab entwickelten Gerät, welches in Kosmalla et al. (2022) vorgestellt wird. Die Daten befinden sich derzeit in der Auswertung.
Physikalische Modellbildung
Mithilfe der Daten aus der Feldkampagne werden die Pflanzen vereinfacht und parametrisiert. Zum Beispiel wurden mit einem 3D-Drucker und flexiblem Kunstharz systematisch Pflanzenmodelle produziert, die anschließend auf ihre Biegeeigenschaften hin untersucht wurden. Damit wird evaluiert, ob sie für die Vereinfachung der Interaktion von Pflanzen, Wellen und Strömung geeignet sind. Vorläufige Ergebnisse werden bereits in Keimer et al. (2022) vorgestellt. Weitere Daten befinden sich hierbei noch in der Auswertung.
Numerische Modelbildung
Basierend auf den Ergebnissen der Feldkampagne und den Laboruntersuchungen wird die Pflanzen-Welle Interaktion zudem im Computer numerisch simuliert, welches die Untersuchung verschiedener Szenarien ermöglicht. Die Bewegung der flexiblen Vegetation wird zunächst in Form von einzelnen Halmen dargestellt und parametrisiert. Anschließend können die implementierten Felddaten auf eine größere Salzwiesenfläche abstrahiert werden und der saisonale Einfluss auf die wellendämpfende Wirkung der Vegetation untersucht werden. Das Modell findet sich momentan in der Validierungsphase.
Vegetationsdynamik in Weißdünen
Felduntersuchungen
Dünen werden auf Spiekeroog an verschiedenen Standorten messtechnisch begleitet. So wurden von November 2021 bis Dezember 2022 systematische Messungen an Ammophilia Arenaria, der vorherrschenden Vegetation im Weißdünenbereich, durchgeführt um unter anderen die Wuchshöhe und horizontale Wuchsdichte zu erfassen. Darüber hinaus wurden in verschiedenen Zonen der jeweiligen Dünen oberirdisch Pflanzenproben entnommen und im nahegelegenen Labor des Nationalparkhaus Wittbülten auf der Insel Spiekeroog auf ihre biomechanischen Eigenschaften (z.B. Biegesteifigkeit) untersucht. Hierdurch wurden lange Transportwege und Lagerungszeiten vermieden, welche eventuell die Messergebnisse verfälschen könnten. Für die Untersuchung von unterirdischen Pflanzenproben wurden zudem Wurzel und Rhizomen entnommen, die auf Grund ihrer besonderen Prüfanforderungen in einem Labor der TU Braunschweig auf ihre Zugfestigkeit getestet wurden.
Die Messungen wurden auf monatlicher Basis durchgeführt, um den saisonalen Verlauf der Vegetationseigenschaften erstmalig zu erfassen. Untersucht wurde eine freistehende Düne am Nordstrand von Spiekeroog, die eine direkte Exposition gegenüber Wind- und Wellenangriff aus Nord aufweist. Diese wurde horizontal in Sektoren aufgeteilt, um die Probenahme systematisch zu gestalten. An der Westspitze der Insel wurde im Bereich der Süderdüne eine durchgehende Stranddüne untersucht, wobei ein Abschnitt von 50 m entlang der Düne see- sowie landseitig beforscht wurde. Im Gegensatz zur freistehenden Düne wurde die Süderdüne in verschiedenen vertikale Segmente unterteilt, um so eine systematische Erfassung zu gewährleisten.
Ergänzend zu den Vegetationsproben wurden im Verlauf der Messungen auch Sedimentproben mit Stechzylindern gewonnen und im Labor ausgewertet, um eventuelle Einflüsse durch Witterung auf die anstehende Sedimentverteilung zu untersuchen. Ausgebrachte Bodensensoren an den Dünenstandorten haben über die Dauer der Feldkampagne verschiedene Parameter wie Bodenfeuchte oder Temperatur erfasst. Oberflächenscans wurden mithilfe von mobilen LIDAR Sensoren sowie z.T. mit stationären Terrestrischen Laserscannern erfasst. Hierdurch wurden zeitlich gegliedert mehrere Oberflächen der Dünenstandorte erfasst und ermöglichen eine zeitliche Analyse derer morphologischer Entwicklung. Die so gewonnenen Felddaten bilden eine erste Datenbasis für die nachfolgenden laborgestützten Experimente, um den Einfluss der Vegetation auf die Morphologie der Küstendünen eingehender zu untersuchen.
Physikalische Modellbildung
Um neben der Erfassung von biomechanischen Eigenschaften auch Rückschlüsse auf den direkten Einfluss von Dünenvegetation auf Erosionsgeschehen unter Sturmflutbedingungen zu ziehen, wurden Laborversuche in einem 2 Meter breiten und 90 Meter langen Wellenkanal der TU Braunschweig durchgeführt, bei denen der Einfluss der Bepflanzungsdichte und der
verschiedenen Pflanzenteile (ober- bzw. unterirdisch) näher betrachtet wurde. Mit Hilfe von LIDAR Scans und Photogrammetrie wurden so zeitlich aufgelöst Unterschiede im Erosionsverhalten analysiert. In einem kleineren Maßstab wurden darüber hinaus auch erste Ansätze untersucht die unterirdische Dünenvegetation und ihren Effekt auf die Dünenerosion in physikalischen Experimenten durch Ersatzmaterialien wie Kokosfasern oder auch synthetische Fasern zu reproduzieren.
Numerische Modellbildung
Aufbauend auf den Felduntersuchungen und den Experimenten im Labor unter Wellen und Strömung zu Dünenvegetation der Art Ammophilia Arenaria wurden erste Ersatzmodell Versuche mit Sandverstärkungsmaßnahmen durchgeführt, um Wurzelwirkungen abzubilden. Parallel werden erste computergestützte Simulationen aufgebaut, in denen die beforschten Dünenabschnitte unter simulierten Wellenbelastungen erodieren. In den Computermodellen lassen sich viel einfacher die Sandzusammensetzung oder parametrisch eingebettete Pflanzen und Wurzeln ändern, als dies in physikalischen Modellversuchen der Fall ist. Hierfür dienen die im Feld und Labor gewonnenen Daten wertvolle Kalibrierdaten. Modelle sind im Aufbau und weitere Versuche sind in Vorbereitung.
Kernbestandteile
- Feldmessungen von biomechanischen Pflanzeneigenschaften
- Salzwiesen als wellendämpfende Küstenschutzelemente
- Stranddünen als Küstenschutzelement gegen Sturmfluten
- Entwicklung von geometrisch und dynamisch skalierten Ersatzmodellen
- Aufbau von numerisch-ökologischen Modellen & Umweltsimulationen
Ansprechpartner
Dr.-Ing. Oliver Lojek
o.lojek@tu-braunschweig.de
phone: +49 (0) 531 / 391 – 7923
fax: +49 (0) 531 / 391 – 8217
Leichtweiß-Institut für Wasserbau
Abteilung Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau
Beethovenstr. 51a
38106 Braunschweig